Ulrike Guérot: Der neue Bürgerkrieg (2017)
Das erstaunlichste an diesem Buch ist die Tatsache, dass es überhaupt ein Buch geworden ist. Jeder halbwegs normal gebildete Lektor hätte das Manuskript nach wenigen Seiten in den Papierkorb schmeißen müssen, so indiskutabel unterirdisch ist das Niveau. Es gab eine Zeit in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts, da hatte der Ullstein Verlag, was Sachbücher anbelangt, eine Hochphase. Ich erinnere stellvertretend für viele andere nur an die Hegel-Ausgaben „Frühe politische Systeme“ und „Geist des Christentums“ mit der grandiosen Arbeit von Werner Hamacher. Von derlei Hochkultur ist man heute weit entfernt. Was den Ullstein-Verlag bewogen hat, einen solchen Textmüll auf den Markt zu bringen, bleibt wahrscheinlich sein eifersüchtig gehütetes Geheimnis, aber wenns den Leuten dreckig geht, verkaufen sie auch Pornos.
Ein paar Stilblüten gefällig: Faschismus ist eine Antwort auf die Frauenbewegung. Als Referenz für diese Weisheit müssen Theweleits Männerphantasien herhalten, die leider keine Männer-, sondern nur Theweleits Phantasien sind. Dass Faschismus ebenso wie Bolschewismus eine bis dato unbekannte neue politische Ordnung etablieren, die nicht auf Individualneurosen zurückzuführen sind, Schwamm drüber, dass kann so ein junges Ding (Jahrgang 1964) ja auch nicht wissen. Die zahlreichen von und für Hitler stark bewegten Frauen, von Helene Bechstein über Magda Goebbels, Unity Mitford bis hin zu Winifried Wagner, um nur ein paar wenige zu nennen, nicht zu vergessen all die begeisterten Mütter, die ihr Mütterkreuz noch Jahrzehnte später in Ehren hielten, passen nicht ins vorgefertigte Bild und kommen demgemäß nicht vor.
Der religiös motivierte Terror hat natürlich nichts mit der Wende von den polytheistischen Religionen zu der einen, allein gültigen monotheistischen Religion zu tun, eine Wende, die „entscheidender als alle politischen Veränderungen die Welt bestimmt hat, in der wir heute leben“ (Jan Assmann, Die mosaische Unterscheidung), sondern ist eine Antwort auf die strukturelle Gewalt des Westens (S. 16). Wenn wir (meistens trifft es jüngere Mädchen) also heute von testosteronüberlaufenden muslimischen Männern abgestochen werden, ist das nur die gerechte Strafe für unsere Versündigung an der Dritten Welt, die heute im linken Katechismus die Rolle des Rousseauschen „Edlen Wilden“ spielen muss.
Der Euro war nicht etwa Mitterands Bedingung für die Zustimmung zur Wiedervereinigung (das sind nur Legenden, die von Rechtspopulisten in die Welt gesetzt wurden) sondern „wurde eingeführt, weil die deutschen Konzerne den Preis der Währungsschwankungen, die sich in Deutschland immer in Aufwertungen abgebildet haben, nicht mehr bezahlen wollten“ (S. 33). Is klar. Und „die Sozialsysteme Griechenlands wurden durch die Eurokrise liquidiert“ (S. 36), Griechen können da bei der Ausgestaltung Ihrer Sozialsysteme unmöglich im Spiel gewesen sein. Es geht in diesem Stil so weiter und lohnt nicht.
Eine kleine Formulierung gegen Ende offenbart das völlig apolitische des ganzen Unterfangens: Damit das Europäische Projekt wieder Fahrt aufnimmt und den einen Geist der Aufklärung in der einen Demokratie vollendet, muss das Politische auf’s richtige Gleis gesetzt werden. Auf einem Gleis kann man stehen bleiben, dann wäre es keine Bewegung, und sich vorwärts oder rückwärts bewegen. Nur eines kann man nicht, wenn die Richtung schon vorgeschrieben ist, nämlich politisch mit anderen über den einzuschlagenden Weg streiten. Das Wagnis eines politischen Neuanfangs mit ungewissem Ausgang ist vollends unmöglich, wenn vorab schon über richtig, Richtung und Endstation entschieden wurde. Dass ein Motto von Hannah Arendt am Beginn dieses Textes steht, ist als Verluderungseffekt des Arendt-Rummels wohl nicht zu verhindern.
Das Geschöpf, das diesen kindischen Schwachsinn von sich gibt, wird als „Professorin und Leiterin des Departments für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems/Österreich“ vorgestellt. Sie sei zwanzig Jahre lang in diversen Think-Tanks gewesen. Ja dann …
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